Praxis-Guide: Prinzipien bei Drehungen

Drehungen führen unsere Aufmerksamkeit zur Wirbelsäule sowie zum Rücken. Sie gelten als reinigend und verdauungsfördernd. Spannung im Rücken, an den Körperseiten sowie an den Außenseiten der Hüften wird gelöst.

Hier findest du einige Richtlinien in Bezug auf Drehungen:

  1. Bei Drehungen gibt es zwei mögliche Herangehensweisen: das Becken stabil halten für den Schwerpunkt der Drehung aus der Brustwirbelsäule heraus, oder die Drehung vom und mit dem Becken zu initiieren. Beide Möglichkeiten sind „korrekt“ und lohnend. Ich selbst empfehle und praktiziere die zweite Möglichkeit, bei der man vom Becken aus dreht. Becken, Kreuzbein sowie die Lendenwirbelsäule drehen sich dabei als Einheit.
  2. Vor der Drehung die Lendenwirbelsäule verlängern, um die natürlichen Kurven der Wirbelsäule zu unterstützen.
  3. Eine leichte Aktivierung der Bauchmuskulatur zwischen Schambein und Bauchnabel, unterstützt die natürliche Kurve der Lendenwirbelsäule.
  4. Lenke den Atem in die Seite, von der du dich wegdrehst (in linke Seite bei einer Drehung nach rechts)
  5. Die Rückenmuskulatur von der Wirbelsäule in die Weite und in die Breite zu denken, hilft Spannung im Rücken zu lindern.
  6. Der Einsatz der Arme sollte nicht die Möglichkeit bzw. die Einschränkung der Drehung aus der Wirbelsäule ignorieren.
  7. Anatomisch dreht die Wirbelsäule sich je nach Segment unterschiedlich. Die Empfindung der Drehung sollte sich allerdings auf der gesamten Wirbelsäule ebenmäßig verteilen. Die Vorstellung eines Rebstockes oder einer Wendeltreppe sind dabei hilfreich.

In der Fortbildung „Die Kunst des Sequencing“ vom 14. bis 16.05. erfährst du weitere Prinzipien sowie Inspiration u.a. zu Drehungen.

Svarga Dvijasana und „Take a fresh start“

In seiner äußeren Form erinnert das Asana an die Paradiesvogelblume, auch Königs-Strelizie oder Papageienblume genannt, die in diesem Asana nachgeahmt wird. In seiner inneren Bedeutung steht das Bild der Blume für Wachstum und Erneuerung. Während Svarga Himmel oder Paradies bedeutet, hat Dvija zwei Bedeutungen: zwei-mal-geboren oder auch Vogel. Vögel werden zwei mal geboren, zuerst als Ei und dann als Vogel.

„Take a fresh start“ ist ein Begriff aus der Meditationstradition. Damit ist der Moment gemeint, wenn man nach einer längeren Zeit des Sitzens eine Pause nimmt, um den Geist zu erfrischen, da er nicht länger das Objekt der Meditation halten kann. Der Wechsel von einem fokusierten Geist zu einem Geist ohne Fokus ist eine menschliche Notwendigkeit. Wir können nicht nur in jedem Moment frisch beginnen, sondern jeder Moment ist an sich frisch. Praktisch angewendet, hören wir mit dem auf, was wir gerade tun. Wir steigen aus, schauen wo wir gerade sind und beginnen wieder neu. Wir hören zum Beipsiel auf zu meditieren oder mit dem Arbeiten am Computer, verbinden uns erneut mit unserem Atem und bemerken die Lebendigkeit unseres Menschseins.

Das ist ein Moment wie Frühlingsluft, die zum ersten mal durch das Fenster strömt oder wie eine Blume, die im Augenblick unserer Betrachtung ihre Blüten öffnet.

Viel Glück!

Shalabhasana und Kraft

Shalabha bedeutet Heuschrecke und Asana heißt Haltung, Sitz oder zu sitzen mit etwas. Yogis haben oft einen tief verwurzelten Glauben, dass mehr Flexibilität gesund und wünschenswert ist. Wir sind fasziniert und geblendet von der äußeren Form einer Haltung. Durch ein zu starkes Ziehen, Drücken und Wollen, um in eine Form zu gelangen, kann dies zu einer körperlichen Instabilität und, insbesondere über Jahre lang hinweg praktiziert, auch zu Verletzungen führen.

Im Yoga geht es um Balance. Um die Balance zwischen Flexibilität und Kraft. Flexibilität fördern wir in der Regel bereits ausreichend. Um zu mehr Balance zu gelangen, benötigen wir meist etwas mehr Aufmerksamkeit auf Kraft. Flexibilität nimmt nicht ab, nur weil wir unsere Muskeln kräftigen. Shalabhasana ist eine ideale Rückbeuge, um das Thema Kraft zu thematisieren. Die Haltung ist nicht als tiefe Rückbeuge gedacht, sondern stellt eine ideale Möglichkeit dar, um die gesamte Rückseite unseres Körpers zu stärken und zu kräftigen. Diese Kraft können wir dann auch in fortgeschrittenere Übungen integrieren, bei denen mehr Flexibilität gefordert wird, zum Beispiel Urdhva Dhanurasana (der nach oben gerichtete Bogen).

Viel Glück!

Agni Stambhasana und Freundschaft schließen mit sich selbst

Agni heißt Feuer oder entzünden, Stambha heißt Säule und Asana heißt Sitz oder zu sitzen mit etwas. Agni Stambhasana wird im Deutschen meist als „dopplte Taube“ und im Englischen als „fire log pose“ übersetzt, also etwa „Feuerstapel-Position“. Der Yoga versteht den Körper als Fahrzeug zur Wachheit und Freiheit. Von dieser Perspektive aus können wir unseren Körper als lebenden Schrein für ein brennendes Feuer betrachten. Die übereinander gelegten Schienbeine stellen dabei das geschichtete Holz dar und der Rumpf das nach oben lodernde Feuer.

Wenn wir Agni Stambhasana ausführen nehmen wir dieses Feuer vielleicht als ein Brennen und Ziehen in unseren Hüften wahr. Oder auch als Wut in unserem Bauch. Wir empfinden diese Erfahrung vielleicht als unangenehm und wollen sie lieber vermeiden. Stattdessen aber können wir uns selbst mit liebevoller Zuwendung eine Art Freundschaftsanfrage stellen und ganz bei unserer Erfahrung bleiben. Mit Ehrlichkeit, Neugierde und Sanftheit sehen wir was wirklich da ist. Freundschaft schliessen mit Dingen, die wir an uns mögen, fällt uns meist leicht. Freundschaft schliessen mit Dingen, die wir an uns und anderen nicht mögen fällt uns dagegen eher schwer. Agni Stambhasana bietet uns eine Gelegenheit, unsere eigene Freundschaftsanfrage anzunehmen.

Viel Glück!

Gherandasana und Neugier

Gheranda ist der Name eines indischen Weisen, Asana heißt Haltung, Sitz oder zu sitzen mit etwas. Die Körperhaltung Gherandasana ist eine Kombination aus dem Bogen (Dhanurasana) und dem Frosch (Bhekasana). Während Arm und Bein der einen Körperhälfte den Bogen einnimmt, befinden sich Arm und Bein der anderen Körperhälfte im Frosch. Diese Kombination ist eine Herausforderung für unser Gehirn und erfordert Neugier.

Der koreanische Zenmeister Seung Sahn sagt seinen Schülern immer „Einfach nie wissen“ und meint ein Praktizieren mit Unvereingenommenheit und einem gewissen Forschergeist. Wenn wir mit zu viel Hartnäckigkeit üben, sind wir nicht wirklich präsent. Wenn wir dagegen mit einem frischen Anfängergeist und Interesse praktizieren, erfahren wir eine geistige Klarheit. Mit dieser Offenheit können wir direkt sehen, was vor unserer Nase ist und angemessen agieren. Mut hilft uns, bei einem etwas zittrigen und verletzlichem Gefühl von Neugier zu bleiben. Wenn wir diese Unsicherheit und Neugierde reiten, entsteht als nächstes eine neue Art von Gewissheit und Vertrauen.

Viel Glück!

Open your Wings and Fly

Um die Mitte in uns zu finden, verbinden wir in unserer Yogapraxis zwei Qualitäten: Anstrengung und Entspannung. Beide Qualitäten wollen wir mental sowie körperlich auf der Matte, auf dem Kissen und letztendlich auch in unserem Leben kultivieren. Dies bezeichnen wir als den Mittleren Weg. Er ist etwas sehr persönliches und ist immer wieder anders.

Schulteröffner, Armbalancen und Umkehrhaltungen dienen uns in unserer Yogapraxis als Werkzeuge, um die Mitte aus Stabilität und Mobilität in unserem Oberkörper zu finden. Als körperliche Basis dienen uns dabei Arme und Schultern. Die Schulter ist ein komplexes und sehr bewegliches Gelenk. Ihre Mobilität gibt uns die Möglichkeit zu agieren und uns auszudrücken.

Schultern und Arme stehen für Kommunikation und Freiheit. Da es im Yoga immer um Integrität geht, benötigen wir sowohl Mobilität in den Schultergelenken und den Armen als auch Stabilität im Schultergürtel. Wenn wir in der Mitte ruhen – das heisst wenn wir die Stabilität aus unserem Zentrum in die Freiheit der Peripherie ausdehnen – lernen wir unsere Flügel zu öffnen und beginnen zu fliegen.

Viel Glück!

„Willst du die rechte Wachsamkeit aufrechterhalten, dann darf dein Geist weder zu angestrengt noch zu entspannt sein, genauso wie die Seite der Vina“. Kalu Rinpoche

Garudasana und Furchtlosigkeit

Der Garuda ist ein mythisches Tier, halb Mensch, halb Vogel. Ähnlich wie Superman, Batman oder Pippi Langstrumpf zählt der Garuda zur Gruppe der Superhelden oder Superfreunden. Der Garuda steht für bestimmte Qualitäten, die uns in unserer Praxis sowie in unserem Alltag inspirieren können.

Wenn wir uns am Beispiel des Garuda orientieren, beschäftigen wir uns nicht mit dem typischen Rotkehlchen aus dem Hinterhof wie Lodro Rinzler, ein Meditationslehrer einmal meinte. Vom Garuda wird gesagt, dass er im All geboren wurde und sofort fliegen konnte. Da er seinen Atem reitet, wird er nie müde und muss deshalb nie landen. Er überfliegt die Welt und nimmt seiner Umwelt gegenüber dadurch eine Vogelperspektive ein. Können wir beim Praktizieren von Garudasana einen weiten Geist haben, obwohl die Arme sich direkt vor uns befinden und wir somit einen eingeschränkten Blick haben? Eine wichtige Qualität des Garuda ist Furchtlosigkeit. Das bedeutet, dass wir mit der Furcht arbeiten, wann auch immer sie auftaucht. Furcht zeigt sich manchmal als Nervosität, als Hoffnung oder auch als Schüchternheit vor einer bestimmten Situation. Dabei geht es nicht im geringsten darum, diese Angst loszuwerden, sondern sie sanft als Werkzeug auf unserem Weg zu mehr Wachheit einzusetzen. Dies mag beim Üben von Garudasana bedeuten, das Wackeln und Zittern unserer arbeitenden Beine wahrzunehmen oder den Mut zu besitzen, ganz präsent bei unserem Atem zu verweilen. Ganz und gar wachsam zu sein ist etwas Ungewöhnliches, gar Unerhörtes. Erlaube deinen Flügeln sich in Garudasana weit aufzuspannen, reite deinen Atem und geniesse einen wachen erhebenden Flug.

Viel Glück!

Füsse und Standhaftigkeit

Eines der ersten Dinge, die wir lernen, wenn wir mit dem Yoga beginnen, ist das Wiedererlernen wie man steht. Ein hilfreiches Bild dafür ist, sich den Körper als einen Baum vorzustellen. Ein Baum zieht Wasser, Mineralien und Nährstoffe aus der Erde in den Stamm, die Äste und die Blätter. Genau so nähren und unterstützen Zehen und Füsse die Dynamik und Vitalität unseres Körpers. Alles beginnt am Grund, auf der Erde, und gibt Impulse auf den restlichen Körper ab.

Wenn wir in der Yogapraxis mit unserer Aufmerksamkeit stets wieder zurück zu unseren Füssen kommen, entwickeln wir dadurch nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale und emotionale Standhaftigkeit. Dies geschieht, indem wir immer wieder zur Dynamik, zum ständigen Anpassen und Austarieren unserer Füsse zurückkommen. Diese Standhaftigkeit kann schliesslich in eine Loyalität gegenüber der stets dynamischen Erfahrung des Lebens insgesamt gesehen werden.

Viel Glück!

Der kopflose Kopfstand – Jeder Teilaspekt einer Haltung ist immer noch die Haltung

Das Asana des Monats Dezember ist eine Variante des Kopfstands. Der „kopflose Kopfstand“ ist wie der volle Kopfstand (Shirshasana), nur dass der Kopf dabei nicht den Boden berührt – „ohne Kopf“. In dieser Haltung arbeiten die Muskeln des Schultergürtels und der Arme als seien wir in der vollen Haltung. Die Halswirbelsäule wird nicht belastet. Wir kommen kraftvoll und sicher in den „kopflosen Kopfstand“.

Falls der volle Kopfstand Teil deines Yoga-Repertoires ist, kannst du die volle Haltung einnehmen. Falls nicht, musst du dich nicht als „Yoga-Looser“ fühlen. Der kopflose Kopfstand ist nicht nur eine ideale Variante, sondern auch eine sinnvolle Vorbereitung. In jedem Teilaspekt einer Haltung ist immer die volle Haltung enthalten. Es gibt immer einen Pfad vor uns – wo wir hin wollen – wie auch einen Pfad hinter uns – worauf wir aufbauen und jederzeit wieder zurück gehen können. Zurück gehen bedeutet hier nicht Rückschritt, sondern ist Ausdruck einer intelligenten, fortgeschrittenen und vollwertigen Yogapraxis.

Viel Glück!

Urdhva Dhanurasana und Gleichmut

Urdhva bedeutet nach oben oder aufwärts, Dhanu ist ein Bogen. In Urdhva Dhanurasana, manchmal auch Rad genannt, wird der Körper wie ein Bogen nach oben gespannt.

Eine Tendenz in unserem Leben, und damit auch in unserer Asanapraxis, ist dass wir immer wieder unsere Integrität verlieren: wir arbeiten zu viel, wir schlafen zu wenig, wir essen zu viel, wir vergessen, an andere zu denken. Unsere Aufmerksamkeit fokusiert sich auf einen Punkt und dabei vergessen wir, den größeren Zusammenhang zu sehen. Wir verlieren unsere Integrität und geraten dadurch aus dem Gleichgewicht.

In einer Rückbeuge wie Urdhva Dhanurasana mag es beispielsweise vorkommen, dass wir eine starke Empfindung in unserem unteren Rücken spüren. Unsere ganze Aufmerksamkeit geht zu diesem einen Punkt. Dabei könnte uns Gleichmut helfen, unsere Aufmerksamkeit auf die gesamte Wirbelsäule zu verteilen und somit Ebenmässigkeit zu kultivieren. Gleichmut bedeutet, bei allen Erfahrungen, egal ob angenehm oder unangenehm, präsent zu bleiben, ohne in Extreme zu verfallen. Manchmal wird Gleichmut mit Gleichgültigkeit verwechselt – das würde aber bedeuten, dass uns die Dinge egal sind. Gleichmut dagegen bedeutet das Nicht-Reagieren auf den steten Wandel unserer Erfahrungen, was zu mehr Freiheit in unserem Leben führt.

Viel Glück!