Chaturanga Dandasana und Übergänge

Chatur bedeutet vier, anga Glied oder Teil, und Danda heißt Stock oder Stab. Wenn wir den Sonnengruss ausüben, ist Chaturanga Dandasana eine klassische Übergangsposition, ein sogenanntes Vinyasa. Vom Nach unten gerichteten Hund bewegen wir uns ins Brett über das Chaturanga Dandasana in den Nach oben gerichteten Hund und von dort wieder zurück in den Nach unten gerichteten Hund. Wir gleiten in eine Position, verweilen kurz und lösen sie wieder auf.

Ein Vinyasa ist ein Abbild der zyklischen Übergänge des Lebens. Unser Leben besteht aus einem ständigen Hineingleiten und Auflösen, es besteht mehr aus Übergängen als aus einzelnen Stationen oder Höhepunkten. Die Übergänge sind genauso interessant und wertvoll wie die einzelnen Stationen und Positionen. Der Sommer löst sich in den Herbst auf, die Einatmung wird vom Ausatem abgelöst. Wenn wir bewußt wahrnehmen, daß eines fließend ins nächste übergeht, verstehen wir, wie umfassend wir mit allem verbunden sind und wie kostbar jeder einzelne Augenblick ist.

Viel Glück!

Upavishtha-Konasana und Ishvara Pranidhana

Upavishta bedeutet sitzen, Kona ein Winkel und asana Sitz oder zu sitzen mit. Ishvara Pranidhana wird meist mit Hingabe übersetzt.

Ishvara Pranidhana ist Teil der Niyamas, der zweiten Stufe des achtgliedrigen Yoga-Pfades. Diesen hat Patanjali vor über 2000 Jahren im Yogasutra, einer Art Yoga-Leitfaden bestehend aus 195 Sanskrit-Versen, beschrieben.

Ishvara Pranidhana meint nicht, sich einer äußeren Macht hilflos ausgeliefert zu fühlen, sondern über Hingabe, wieder Vertrauen in den Fluss des Lebens zu finden. Mit dieser Sichtweise hat der Yoga etwas mit Gärtnern gemeinsam. Als Gärtnerin jäten wir Unkraut, setzen Samen und wässern und pflegen die Planzen. Wir selbst können die Blume nicht wirklich zum blühen bringen, und das Gras wächst auch nicht schneller, wenn wir daran ziehen. Als Gärtnerin können wir aber die idealen Bedingungen und Umstände schaffen, dass dies geschehen kann. Im Yoga ist es ähnlich. Es ist nicht so, dass wir urplötzlich unsere Hüften öffnen oder eine sehr komplexe Armbalance ausführen können. Aber es ist uns möglich, durch eine regelmässige Praxis, Veränderungen wahrzunehmen und uns dem Ergebnis hinzugeben. Ishvara Pranidhana schenkt uns Geduld, die Früchte der Handlungen voller Vertrauen zu empfangen.

„Surrender is the simple but profound wisdom of yielding to rather than opposing the flow of life.“ – Eckhart Tolle

Viel Glück!

Triang-Mukhaikapada-Pashchimottanasana und Smriti

Trianga bedeutet drei Teile: die Füße, die Knie und das Gesäß. Mukhaikapada setzt sich aus den drei Wörtern Mukha Gesicht, Eka eins und Pada Bein oder Fuß zusammen und bedeutet, dass das Gesicht das ausgestreckte Bein berührt. Pashchimottanasana ist eine intensive Dehnung unserer gesamten Körperrückseite. Das Sanskritwort für Achtsamkeit ist Smriti, was so viel wie „sich erinnern“ bedeutet.

In einem komplexen Asana wie Triang-Mukhaikapada-Pashchimottanasana, genauso wie in einer komplexen Alltagssituation, mag es vorkommen, dass wir all zu schnell einer mentalen Ablenkung folgen. Wir denken vielleicht „Oh je, ich bin ja überhaupt nicht flexibel“, „Mir ist zu warm“, „Vielleicht sollte ich es einmal mit Golf probieren“ oder was auch immer. In der Achtsamkeitspraxis entwickeln wir die Fähigkeit, bei unserer Absicht zu verweilen. Wir erinnern uns, Ablenkungen loszulassen wenn sie uns überwältigen und trainieren das Zurückkommen in den jeweiligen Moment. Achtsamkeit bedeutet nicht einfach nur alles wahrzunehmen was ist, achtsam sein ist eine pro-aktive Handlung. Wir kutivieren eine neue gesunde Gewohnheit: die Gewohnheit im jeweiligen Moment zu verweilen, während wir gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit von Ablenkungen abziehen. Von dieser neuen Gewohnheit können wir in einfachen und komplexen Situationen in der Yogapraxis sowie im Alltag profitieren.

Viel Glück!

Ushtrasana und Tugenden

Das Sanskritwort Ushtra bedeutet Kamel und Asana bedeutet Sitz oder „zu sitzen mit“. Ein Kamel kniet nieder, um sich von der Last des Gepäcks oder der Personen auf seinem Rücken zu befreien. Wenn wir uns in Ushtrasana im Kniestand nach hinten lehnen, können wir das Bild von der Erleicherung und Wohltat des Kamels aufgreifen, als würden wir eine Last von unseren Schultern nehmen.

Dabei können uns yogische Tugenden wie Ahimsa, Abhaya und Satya unterstützen: Ahimsa, das Nichtanwenden von Gewalt, lässt uns Freundlichkeit uns selbst gegenüber kultivieren, wodurch wir achtsam und sorgsam in die Haltung gehen. Abhaya oder Furchtlosigkeit gibt uns die Zuversicht, dass wir uns überhaupt trauen, diese Haltung einzunehmen. Satya, was soviel wie Ehrlichkeit oder Wahrhaftigkeit bedeutet, lässt uns klar und deutlich unsere Möglichkeiten sowie gleichzeitig unsere Begrenzungen sehen.

Jede dieser Tugenden ist eine Erinnerung an unsere natürliche Gutheit, in die wir uns mehr und mehr hineinentspannen.

Viel Glück!

Schritt für Schritt in Umkehrhaltungen & Armbalancen

Umkehrhaltungen und Armbalancen sind Asanagruppen, die uns mentalen Fokus und Zuversicht geben – sie können uns aber auch verunsichern und Furcht einflößen. Oft sind wir fixiert auf die Endhaltung oder ein Endergebnis und ignorieren die vielen kleinen essentiellen Schritte auf dem Weg dorthin. Wenn wir jedoch Schritt für Schritt an die Asanas herangehen, zeigt sich unsere Yogapraxis als ein Prozess – ein Prozess in dem wir wichtige technische Details über die Haltungen, über uns und unsere Handlungsweise erfahren. Wir betrachten das Vinyasa, den Übergang zwischen den Asanas, als ebenso wichtig und wertvoll wie die Position selbst. Durch diesen Prozess von Entschleunigung und Bewußtwerdung über wir Achtsamkeit und Aggressionslosigkeit. Dadurch schärfen wir unsere Intelligenz und wenden geschickte Mittel an.

Viel Glück!

Die Fünf Wandlungsphasen im Taoismus

Im Taoismus geht man von einer alles durchdringenden Kraft, Wuji genannt, aus. Diese wesentliche Essenz des Lebens wird mit „Große Leere“ oder „Ruhe in Bewegung“ übersetzt. Mit Wuji ist ein anfangsloser, grenzenloser und unfassbarer Ur-Grund der Existenz angesprochen. Im Buddhismus kennt man hierfür auch den Begriff Shunyata (Leerheit). Aus dieser Leerheit folgt eine Spaltung in Dualität mit den Polen Yin und Yang. Während Yin nach unten in die Erde sinkt, hat Yang eine aufsteigende Qualität und geht Richtung Himmel. Wir Menschen stehen dazwischen und verbinden Himmel und Erde. Aus der Spannung von Yin und Yang entsteht eine dritte Kraft: Chi, was so viel wie „aufsteigender Dampf“ oder „Energie“ bedeutet. Chi ist Wuji in verdichteter Form. Diese Energie transformiert sich ständig und präsent sich in unterschiedlichen Formen. Die Fünf Wandlungsphasen sind unterschiedliche Manifestationen aus dieser Dreierkonstellation. Es sind fünf universelle Prinzipien oder Aspekte des ursprünglichen Chi, die wir auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden anwenden können. Die Chinesen haben sie aus den Jahreszeiten und den Himmelsrichtungen abgeleitet. Wir können sie uns als fließende Energiephasen oder sich ständig ändernde Phasen des menschlichen Lebens vorstellen.
Die Wandlungsphase Wasser ist der Jahreszeit des Winters zugeordnet. Es handelt sich um eine sinkende Energie. So wie die Natur zur Ruhe kommt, kann sich der Mensch durch Rückzug, Zugang zu seiner wahren Natur erfahren. Es ist eine Zeit der Stagnation und gleichzeitig der Bewegung. Ein Bild hierfür ist ein zugefrorener Bach, unter dessen Eisdecke das Wasser mühelos weiter fließt. Diese Wandlungsphase manifestiert sich durch die Organe Niere und Blase. Diese Organe sind für unseren Wasserhaushalt zuständig. Dem Element Wasser sind Emotionen wie Angst zugeordnet. Der tibetische Meditationsmeister Chögyam Trungpa sagte: „Um Furchtlosigkeit zu erleben, ist es notwendig, Angst zu haben.“ Wenn wir Angst akzeptieren und uns mit ihr anfreunden, kann Vertrauen und Weisheit entstehen.
Die Wandlungsphase Holz wird mit dem Frühling und einer sich ausdehnenden Qualität assoziiert. Ein passender Vergleich ist das Bild von frischen Pflanzentrieben und Knospen. In den Lebensphasen entspricht es unserer Kindheit: eine Zeit voller Neugierde, Spontaneität und des Bewegungsdrangs. Der Phase sind die Organe Leber und Gallenblase zugeordnet. Bei unausgeglichenem Leber-Chi neigen wir zu Wut, während Selbstfürsorge und Mitgefühl mit ausgeglichenem Leber-Chi in Verbindung gebracht werden.
Die Wandlungsphase Feuer ist dem Sommer gewidmet: Flirrende Hitze, blühende Wiesen, betörende Düfte und surrende Insekten. Diese Jahreszeit möchte uns zum Mensch-Sein einladen. Wir lachen und tanzen und die Dinge wachsen von selbst. Dem Element Feuer sind Herz und Dünndarm zugeordnet. Wenn Energie sinkt oder sich erschöpft, werden wir eng und verschließen uns. Bei Überschuss werden wir über-aktiv oder aggressiv. Wenn die Energie ausgeglichen ist sind wir voller Lebensfreude und Begeisterungsfähigkeit. Ganz mit unserem Herz verbunden stehen wir in Verbindung und Kommunikation mit der Welt.
Die Wandlungsphase Erde ist dem Spätsommer und allgemein den Übergangszeiten zugeordnet. Der Spätsommer steht für feuchte Ackerböden und dem Sammeln von Früchten, die uns nähren. Im Lebenszyklus entspricht dies der Lebensmitte – ein Ort im Hier und Jetzt, von dem aus ich mich in alle Himmelsrichtungen, nach Außen und nach Innen, wenden kann. Es ist eine Zeit von Transformation, Reifung und Verdauung. Mit dem Element Erde stehen die Organe Magen und Milz in Verbindung. Ausgeglichenes Milz-Chi zeigt sich in der Verbundenheit mit der Welt. Unausgeglichenes Milz-Chi zeigt sich dagegen in Grübeln und Sorge.
Metall, die Energie der fünften Wandlungphase, wird im Herbst spürbar, wenn wir Abschied von der Fülle und Wärme des Sommers nehmen. So wie die Bäume ihre Blätter lassen, müssen auch wir Menschen loslassen. Die Organe Lunge und Dickdarm stehen für Loslassen und Ausscheidung. Der Buddha sagte: „Wenn man Festhalten und Loslassen verstanden hat, hat man den Dharma verstanden.“ Je mehr wir im Dharma angekommen sind desto dichter sind wir beim Wesentlichen angekommen.

Ardha Chandra Chapasana und Standfestigkeit

Ardha heisst halb, chandra Mond, chapa Bogen und asana Körperhaltung, Sitz oder zu sitzen mit etwas.

Das erste was wir tun, wenn wir eine Asana einnehmen, ist den Körper zu organisieren: In Ardha Chandra Chapasana beispielsweise erden wir den Standbeinfuss, drehen das Standbein in die Aussenrotation, schaffen Länge in der Wirbelsäule und drücken den oberen Fuss in die Hand, um die Rückbeuge entstehen zu lassen. Als nächstes warten wir ab, um zu sehen, was in der Haltung auftaucht: Es mag nicht lange dauern, bis die Beine beginnen zu zittern oder wir Furcht haben umzufallen. Anstelle uns nun eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen, bleiben wir einfach bei bei der Erfahrung. Was auch immer sich zeigen mag, wir bleiben einfach bei der jetzigen Erfahrung. Allem gegenüber offen zu sein bedeutet Standhaftigkeit und Loyalität uns selbst gegenüber zu kultivieren. Wir geben uns selbst die Erlaubnis, genau das zu erfahren, was im jeweiligen Augenblick geschieht. Das ist alles was wir hier machen. Dadurch beginnen wir, uns selbst auszuhalten, mit uns Freundschaft zu schliessen und uns jeglicher Erfahrung im Leben zu öffnen.

Viel Glück!

Bakasana und Ausrichtung

 

 

 

Das Sanskritwort Baka wird meist mit Krähe, manchmal auch mit Kranich übersetzt. Asana heisst Haltung oder Sitz.

Viele denken, dass Armbalancen mit viel Kraft und Anstrengung verbunden sein müssen. Stattdessen können wir durch das Ordnen der Architektur unseres Körpers – einer klaren Ausrichtung von Muskeln, Knochen und Gelenken – eine Ausgeglichenheit in Körper, Geist und Herz erfahren. Niemand möchte beim Praktizieren von Bakasana flach auf die Nase fallen und sich ein blaues Auge oder einen Knacks im Ego holen. Ausrichtung ist die bewusste Wahrnehmung, dass und wie mindestens zwei Dinge zusammenhängen und miteinander verbunden sind. Es geht bei Ausrichtung immer um Beziehung. Wir richten unseren Körper so aus, dass die Energie im Körper ungehindert fliessen kann. Neben der phyischen und energetischen Ausrichtung kultivieren wir auch eine mentale Ausrichtung, indem wir die Intention unseres Geistes und Herzens mit unserer Handlung, der Aktion unseres Körpers, abgleichen.

Viel Glück für 2018!

PARIVRITTA JANU SHIRSASANA UND KOPF UND HERZ

Parivritta heisst gedreht oder gewendet, Janu heisst Knie, Shirsa heisst Kopf, und Asana bedeutet Sitz oder Körperhaltung. Parivritta Janu Shirsasana ist eine sitzende Position, in der wir die Hüfte öffnen, den Oberkörper zur Seite neigen, uns drehen und gleichzeitig die obere Schulter öffnen. Die Drehung verjüngt die Wirbelsäule, die Seitbeuge vertieft die Atemkapazität. In Parivritta Janu Shirsasana finden wir mit jeder Einatmung Streckung (Extension) in der Wirbelsäule, während wir mit jeder Ausatmung in die Weite expandieren (Expansion). B.K.S. Iyengar sagt, dass Extension eine Bewegung aus der Intelligenz des Gehirns ist, während Expansion eine Bewegung aus der Intelligenz unseres Herzens ist. Damit unsere Praxis nicht alleine in Kopf und Körper stecken bleibt, brauchen wir beide Bewegungen: aus dem Kopf und aus dem Herzen. Dadurch kann eine tiefgründige und wahrhaftige Praxis entstehen.

Viel Glück!

USHTRASANA UND PRANAYAMA

Ushtra heisst Kamel und Asana bedeutet Sitz oder Körperhaltung. In Ushtrasana neigen wir uns mit unserem Oberkörper nach hinten. Da wir hinten keine Augen haben, kann sich Angst zeigen, uns nach hinten zu beugen. Wenn wir Angst haben, halten wir meist den Atem an und unser Zwerchfell verspannt sich. Hier kann Pranayama dienlich sein. Das Sanskritwort Prana heisst so viel wie Lebenshauch oder Lebensenergie. Und Ayama bedeutet verlängern oder ausdehnen. Pranayama meint also die Ausdehnung oder Verlängerung unserer Lebensenergie.

Alle Rückbeugen, wie auch Ushtrasana, sind eine ideale Vorbereitung für Pranayamaübungen. In diesen Haltungen wird der Brustkorb geweitet, die Zwischenrippenmuskulatur aufgefächert und das Zwerchfell dehnt sich auf. Gleichzeitig unterstützen gezielte Atemübungen Ushtrasana vorzubereiten, so dass wir mit weniger Angst, mehr Vertrauen und einem vollen Atem das Asana ausüben können.

Viel Glück!